In einer der nächsten Ausgaben der Zeitschrift Angewandte Chemie (doi:10.1002/ange.201206738) erscheint ein Beitrag von Ahmed und Maha Zewail unter dem Titel Wissenschaft für die Wohlhabenden.
Obwohl Prof. Ahmed Zewail (ägyptischer Chemiker und Nobelpreisträger 1999, beschäftigt seit 1976 am CalTech) in den USA wirkt, kann man seine Warnungen nicht hoch genug bewerten. Er sei daher jedem Bildungspolitiker und auch solchen, die das werden wollen nur allerwärmstens zu empfehlen. Ich selber habe mich ja als Brandenburger auch mal mit Bildungspolitik beschäftigt und habe das abschreckendste Beispiel für eine fehlgeleitete Weichenstellung direkt vor der Haustür. Schließlich belegt bei den Ausgaben für die Hochschulen das Land Brandenburg traditionell den letzten Platz. Aber zurück zum Artikel.
Ein wichtiger Punkt der heutigen Bildungspolitik in den Industrienationen ist der Zwang der Hochschulen zu mehr Profit anstelle von (staatlich geförderter) Grundlagenforschung. In Deutschland ist dies als Drittmitteleinwerbung ein Leistungskriterium für Institute und Wissenschaftler. So werden u.a. bei Berufungen aber auch bei Haushaltsmittelverteilungen die Drittmitteleinwerbungen stark berücksichtigt („Der Teufel scheißt halt immer auf den größten Haufen“). Dazu stellt Prof. Zewail passend folgendes fest:„Aus der Geschichte wissen wir aber, das die fundamentalsten Innovationen aus der Neugier von Wissenschaftlern an den Phänomenen der Natur stammen, und in vielen Fällen wurden wissenschaftliche Entdeckungen durch Zufall gemacht. Selbst der gelehrteste Forscher kann die Route zur nächsten Entdeckung oder der wichtigsten Innovation nicht vorhersagen.“!
Man kann Forschungsergebnisse eben nicht erzwingen und nicht jeder der Unmengen an Drittmittel einwirbt, wird auch den erhofften wissenschaftlichen Durchbruch erzielen. Was man also benötigt ist ein Umfeld in dem die Neugier der Wissenschaftler sich frei entfalten kann. Prof. Zewail bezeichnet heute seinen ersten Antrag daher auch als reichlich esoterisch und wahrscheinlich würde er heute keinen Cent dafür bekommen, aber die Arbeiten mündeten dann später in den Nobelpreis für Chemie. Also aufgemerkt liebe Stammtisch- und Bildungspolitiker: Forschung kostete Geld und die Leistung kann manchmal erst nach Jahrzehnten ermessen werden. Die ganzen Bestrebungen zur Leistungsbezahlung behindern eigentlich nur die Arbeit engagierter Wissenschaftler und vertreiben diese auf Dauer dahin, wo sie sich freier entfalten können. Und zum freien Entfalten gehört auch die Kommunikation der Wissenschaftler miteinander. Wenn ich dann sehe, das Tagungsreisen bei vielen Wissenschaftlern (im Mittelbau) eher eine Rarität sind und auch nicht komplett erstattet werden, dann läuft auch hier was grundsätzlich falsch (A.Z.: „..kreative Köpfe und Bürokratien vertragen sich nicht.“).
Für das Gedeihen einer Grundlagenforschung gibt es daher nach Zewail drei wichtige Punkte:
1. Die solide Ausbildung der Menschen,
2. ein kreatives Umfeld zum intellektuellen Austausch,
3. ausreichend Mittel und Ausstattung.
Förderung sollte den Visionen der Wissenschaftler folgen. Praxis ist aber, das man ohne ausreichende Expertise kaum Fördermittel bekommt. Damit wird per se schon die Verwirklichung von Visionen im Ansatz verhindert.
Ach und wer denkt, das die ganze Grundlagenforschung unnütz ist, der sollte Wissen das in den 50er Jahren 75% des Wirtschaftswachstums der USA auf neuen Technologien basierten.
Oder anders, wenn nicht bald in der deutschen Bildungs- und Wissenschaftspolitik eine 180° Wende erfolgt und endlich mal richtig Geld in die Hand genommen wird, dann werden wir uns deutlich zum Schwellenland entwickeln. Und zwar durch Selbstkastration!